In dieser Untersuchung wird die kulturelle Hybridität zwischen Amerika und Deutschland anhand der postkolonialen Theorie von Frantz Omar Fanon und Homi Bhabha untersucht, unter besonderer Berücksichtigung des Stereotyps, der Mimikry, des Widerstands. ...
In dieser Untersuchung wird die kulturelle Hybridität zwischen Amerika und Deutschland anhand der postkolonialen Theorie von Frantz Omar Fanon und Homi Bhabha untersucht, unter besonderer Berücksichtigung des Stereotyps, der Mimikry, des Widerstands.
Deutsche schätzen Amerikaner einerseits als kulturell minderwertig ein aufgrund der narzisstischen Projektion und andererseits als Symbol für Reichtum, Jugendlichkeit, Unbeschwertheit und Freiheit, die Deutsche begehren, aber nicht besitzen. Deutsche empfinden gegenüber Amerikanern Verachtung, Aggression und Neid aus der mit diesem Mangel und der Differenz verbundenen Angst. Diese Konstruktion der Stereotype und das daraus folgende ambivalente Gefühl haben nach Bhabha mit einer komplexen Artikulation der Tropen des Fetischismus (Metapher und Metonymie) und den dem Imaginären zur Verfügung stehenden Formen narzisstischer und aggressiver Identifikation zu tun. Deutsche schätzen schwarze Amerikaner zusätzlich als primitiv, wild, sexuell geil und boshaft ein, wie Fanon die rassistische Konstruktion des schwarzen Mannes als äquivalent mit den biologischen Attributen kleines Gehirn, großer Penis, kurz: intellektuell minderwertig und sexuell hyperpotent, analysiert. Die Projektion der antisemitischen Vorurteile auf die schwarzen Besatzungssoldaten erfolgt also reibungslos.
Ein schwarzer amerikanischer Soldat, Washington, in Tauben im Gras träumt davon, der Diskriminierung zu entkommen und in Paris zusammen mit seiner deutschen Geliebten Carla ein kleines Hotel mit einer kleinen Bar aufzumachen, in der “niemand unerwünscht ist”. Die bedingungslose Liebe von Washington eröffnet eine Möglichkeit für die Hybridität im Sinne von Bhabha in einer Welt voller Aggression und Gewalt, die das kulturelle Feld gegen hegemoniale Kräfte für die Minorität aktiviert, und die dualistische und statische Unterscheidungen wie das Eigene/das Andere, innen/außen, hoch/niedrig usw. unterläuft und ihre Konstrukthaftigkeit bloßlegt.
Wenders behandelt in seinem Film Der amerikanische Freund die Beziehung zwischen einem deutschen Rahmenmacher, Jonathan Zimmermann, und einem dubiosen amerikanischen Geschäftsmann, Tom Ripley. Er gestaltet die beiden Figuren als Repräsentanten der jeweiligen Kultur.
Jonathan schätzt Amerikaner wie Tom einerseits aufgrund seiner narzisstischen Projektion als kulturell minderwertig ein und begehrt andererseits seinen Reichtum und seine Freiheit. Tom dagegen beneidet Jonathans friedliche Lebensweise und sein feines Auge für Kunst, verabscheut aber andererseits seine Arroganz. Die beiden empfinden gegenseitig Verachtung, Aggression und Neid aus einer mit dem jeweils eigenen Mangel und der Differenz verbundenen Angst heraus.
Tom verführt zwar Jonathan, seine Lebensweise nachzuahmen, aber Jonathan steht mit der Zeit nicht mehr unter seiner Kontrolle und kehrt schließlich zu seiner Familie zurück. Mimikry funktioniert nach Bhabha bei den Beherrschten als Tarnung und veranschaulicht die Differenz, die die Herrschenden unterdrücken wollen, verunsichert und dezentriert die Identität der Herrschenden und kann damit das hegemoniale System umwerfen. Mimikry ermöglicht einen Einbruch des Realen in die symbolisch strukturierte Realität, und ist deshalb bei Bhabha als kultureller Widerstand für Unterdrückte von großer Bedeutung. Tom und Jonathan entdecken in ihrer Verwirrung eine jeweils neue Seite an sich und gestalten so eine neue, hybride Identität.
Der Film zeigt im Unterschied zu Bhabhas Theorie den Zwiespalt und die Verwirrung nicht nur der Herrschenden, sondern auch der Beherrschten. Er veranschaulicht symbolisch durch die Beziehung der beiden Hauptfiguren, wie ein geschwächtes Nachkriegs-Deutschland unter dem Einfluss von Amerika die traditionelle Lebensweise und Denkweise ändert und sich in einem kulturell hybriden Zustand befindet.
Außerdem wird die Theorie über Widerstand, die zentrale Problematik der Postcolonial Studies gesondert systematisch untersucht. Diese Untersuchung zielt darauf ab, eine Reflexion über theoretische Grundlagen und Methoden für die Analyse von Literatur, die kulturelle Konflikte behandelt, und darüber hinaus über die Möglichkeit des gleichwertigen Zusammenlebens in einer multikulturellen Gesellschaft anzuregen.
Die vagen und sprunghaften Stellen von Homi Bhabhas Theorie über Widerstand werden in dieser Arbeit systematisch ergänzt, indem diese Theorie mit den Theorien von Frantz Omar Fanon und Edward W. Said verglichen wird. Bhabhas Theorie steht im Zentrum dieser Arbeit, denn sie bietet die Möglichkeit, die kulturelle Vielfalt und die internen Differenzen innerhalb einer Nation und die komplexen versteckten Machtverhältnisse in der heutigen multikulturellen Gesellschaft zu analysieren, in der Unterschiede zwischen Herrschenden und Beherrschten nicht so offensichtlich sind wie in kolonialen Verhältnissen.
Die Technik der Mimikry funktioniert nach Bhabha bei den Beherrschten als Tarnung und veranschaulicht die Differenz, die die Herrschenden unterdrücken wollen, verunsichert, dezentriert die Identität der Herrschenden und kann damit das hegemoniale System umwerfen. Mimikry ermöglicht einen Einbruch des Realen in die symbolisch strukturierte Realität, und ist deshalb bei Bhabha als kultureller Widerstand für Unterdrückte von großer Bedeutung. Dieses Widerstandskonzept ist nur möglich, wenn Herrschende Beherrschte anerkennen, um unter dem psychischen Einfluss der Beherrschten zu stehen.
Fanon sieht Gewalt als das einzig wirksame Mittel der Befreiung. Mit Hilfe von Gewalt befreit der Beherrschte sich von seiner Entfremdung und Unterordnung in den einseitigen materiellen kolonialen Machtverhältnissen. Gewalt dient auch dazu, die Nation zu konstituieren, und die einzelnen Individuen in ihrem Kampf miteinander zu verbinden.
Das Widerstandsmittel Bhabhas ist wirksam in einer Beziehung, die in gegenseitiger Abhängigkeit besteht und in der Machtverhältnisse versteckt bleiben, während das Widerstandsmittel Fanons in der einseitigen Gewaltherrschaft effektiv ist.
Wenn Mimikry widerständige Effekte erzeugen will, soll sie die unterdrückte Wahrheit, d. h. das Reale ans Licht bringen. Said schlägt das kontrapunktische Lesen vor, um diese Wahrheit zu erkennen. Das kontrapunktische Lesen bedeutet eine Interpretationsfähigkeit, sich in unterdrückte Elemente einzufühlen, diese anzuerkennen und dadurch das Ineinanderwirken verschiedener Kulturen zu veranschaulichen und andere Lese- und Schreibweisen entgegen zu setzen. Said zielt durch die integrative und kontrapunktische Orientierung der Geschichte auf einen Universalismus ab, der über Nationalismus hinausgeht. Auch wenn Said die Wichtigkeit des antiimperialistischen Nationalismus einräumt, so wiederholt er doch Fanons Warnung gegen ein nationalistisches Bewusstsein, das die Aufteilung in Herrschende und Beherrschte erneut konsolidiert. Diesen Gedanken teilt Bhabha mit der Idee des “dritten Raums”, in dem ein wechselseitiges Ineinanderwirken verschiedener Kulturen und transkulturelle Grenzüberschreitung passieren, Stereotypen und herrschende Dichotomien dezentriert werden.