In der Antike und dem Mittelalter wird das Haessliche als Gegensatz des Schoenen verstanden. Da das Schoene mit dem Wahren und dem Guten zu identifizieren ist, darf das Haessliche, das mit Unwahrem und Laster in Verbindung gesetzt wird, nicht als Gege ...
In der Antike und dem Mittelalter wird das Haessliche als Gegensatz des Schoenen verstanden. Da das Schoene mit dem Wahren und dem Guten zu identifizieren ist, darf das Haessliche, das mit Unwahrem und Laster in Verbindung gesetzt wird, nicht als Gegenstand der Kunst begriffen werden. Aber in der Praxis der Kunst, anders als in Diskursen der Kunst, in denen es tabuisiert wird, erscheint es in sehr verschiedenen Gestalten. Das laesst sich auf das "angenehme Grauen", das es im Innern des Menschen hervoruft, oder auf dessen aesthetische Behandlungweise zurueckzufuehren, welche das Obszoene und das Frevelhafte des Haesslichen verminderen kann. Dadurch wird in der Moderne das Haessliche zu einer selbstaendigen, aesthetischen Kategorie der Kunst und dazu traegt das Programm der aesthetischen Autonomie, z.B. von Friedrich Schiller, entschieden bei. Denn dadurch alles, was die aesthetische Lust bewirken kann, einschliesslich des Haesslichen, gewinnt die Moeglichkeit, zum Gegenstand der Kunst zu werden. Friedrich Schlegel, der die Tendenz der modernen Kunst zum "Interessanten" diagnostiziert, geht einen Schritt weiter und behauptet, dass die "interessante moderne Kunst"nicht umhin koenne, das Haessliche auszudruecken.
Der Zeitpunkt, in dem das Haessliche ueberhaupt zum Gegenstand sowohl der Diskussion als auch der kuenstlerischen Gestaltung wird, ist gerade Mitte 90er Jahre, wo mit der Modernisierung der Gesellschaft die Industrialisierung und die Verstaetterung vor sich gehen, aus der das Proletariat in den Vordergrund der Geschichte auftritt, und Kriminalitaet, Ephidemie, Alkohlismus, Armut und Elend zur herrschenden Wirklichkeit werden. Da die Kunst auf die Mimesis der Wirklichkeit abzielt, muss sie sich mit dieser haesslichen Wirklichkeit auseinandersetzen und diese zu ihrem Gegenstand machen. Verschiedene Phaenomen des Haesslichen werden von manchen Aesthetikern kategorisiert. Dabei stellt man eindeutig heraus, dass die meisten von ihnen, vor allem Weisse, das Haessliche bloss als etwas Geistiges begreifen, und darunter das Gespenstistisch, das Boeshafte und das Daemonische verstehen. Anders als diese kategoriesiert Rosenkranz zwar verschiedene Phaenomen des Haesslichen nicht nur aus seinem geistigen, sondern auch seinem formellen Aspekt systematisch, und vervollstaendigt einen Kodex des Haesslichen. Aber er spricht unter dem Einfluss seines Lehres, Hegels, dem Haesslichen die aesthetische Selbstaendigkeit nicht zu, indem er es als Negativitaet des Schoenen versteht, seine Abhaengigkeit von dem Schoenen betont und zuletzt es durch das Komische zum Schoenen aufhebt.
Am Ende des 19. Jahrhunderts negiert Nietzsche traditionelle Morallehren, die auf der Dichotomie "gut und boese" beruhen, aufgrund deren ideologischen Charakters und deren Lebensfeindlichkeit, entwickelt eine neue Morallehre fuer das Leben und die Lebenskraft, naemlich "den moralischen Naturalismus". Es wird offenbar, dass auch die Dichotomie "schoen und haesslich", die unabdingbar mit derselben "gut und boese" angeschlossen ist, selbstverstaendlich keine Geltung in Anspruch nehmen darf. Indem die Dichotomie schoen/haesslich keine Geltung mehr hat, wird das Haessliche in einem anderen Augenmerk beobachtet, naemlich in bezug auf dessen Wirkung auf die Lebenskraft. Unter dem Einfluss von Nietzsche tritt die Avantgarde zu Anfang 20. Jahrhunderts auf, negiert alle Grundlagen der Gesellschaft, die den Weltkrieg ermoeglichten, vor allem die schoene traditionelle Kunst. Unter seinen Stroemungen verkuendet der Surrealismus sogar die "surrealistische Revolution", mit der explosiven Kraft des aesthetisch Haesslichen "eine Bewusstseinskrise allgemeiner und schwerwiegendster Art auszuloesen", welche eine andere Wirklichkeit herbeifuehren soll. Somit erfahren das Haessliche und dessen aesthetische Programm eine volle Anerkennung, dessen Selbstverstaendlichkeit als das echt Aesthetische heutzutage nicht mehr ins Zweifel gezogen wird.